Schreber

Der Schreber

Im Zuge der „Grundzusammenlegung“ der Jahre 1925 bis 1929 kam die Gemeinde Unterwaltersdorf in den Besitz der „Scheiben-Äcker“, wo sich bereits seit 1825 der Friedhof befand. Hier wurden nun 100 Parzellen zu je etwa 1100 qm ausgemessen.
Ca. 1934 errichtet Karl Hietz, Obmann des Schrebergartenvereins und Bürgermeister von 1959 bis 1960 eines der ersten Häuser im Schreber. Vor dem 2.Weltkrieg war hier auch der Fußballplatz.

Standort:

Schranawand, Obere Ortstraße 11

Die Dr. Schreber – Gasse

und die Kunst Kinder zu kneten [1]

(von Dr. Ernst Mayer)

Dieser Text erschien wortgleich im röm. kath. Pfarrblatt Unterwaltersdorf im Dez. 2013

Dr. Moritz Schreber (*1808, ?1861), deutscher Arzt und Hochschullehrer, Leiter der orthopädischen Heilanstalt Leipzig.

Neben vielen fachspezifischen, medizinischen Veröffentlichungen, verfasste Dr. Schreber auch Schriften, die sich mit Erziehungsfragen beschäftigten. Die von ihm vertretenen Ansichten werden heute als „Schwarze Pädagogik“ bezeichnet, und sind nur aus der Sicht seiner Zeit verstehbar. Es handelte sich um einen Erziehungsstil, der darauf abzielte, den Willen des Kindes zu brechen, unbedingten Gehorsam zu verlangen, Gewalt als legitimes Mittel zu betrachten, grundlegende Bedürfnisse des Kindes wie etwa körperliche und seelische Nähe zu versagen u.a.m. Am besten versteht man was gemeint ist, wenn man sich den Titel eines 1997 erschienen Buches, das sich u. a. mit Schrebers Geist und Zeitgeist auseinandersetzt, vergegenwärtigt: „Die Kunst Kinder zu kneten“.i)

Wie es aber so ist mit uns Menschen, so haben wir neben dunklen Seiten zum Glück auch liebenswerte. Dr. Schreber empfahl zwecks körperlicher und seelischer Ertüchtigung der Stadtjugend, die am Rande der Armut oder in Armut in engen Mietskasernen heranwuchs, die Arbeit im Grünen. Möglich war das in sog. „Armen- und Specialgärten“, die es in geringer Zahl bereits gab. Diese hatten ursprünglich rein ökonomischen Charakter, sprich die Stadtbevölkerung sollte die Möglichkeit bekommen, selbst Nahrungsmittel zu erzeugen. Schrebers Ansatz war ein anderer, ein pädagogischer: Sinnstiftende und gesunde Beschäftigung junger Menschen.

Die ersten „Schrebergärten“ entstanden erst nach Schrebers Tod. Zu seinen Ehren gaben die Initiatoren, die seine Idee der Beschäftigung und Ertüchtigung im Grünen weiterentwickelt hatten, diesen Kleingärten Schrebers Namen. Es handelte sich dabei um meist von Gemeinden oder Vereinen verpachtete Kleingärten, wie man sie heute noch – meist in Städten – zu Tausenden findet, die in der Regel nicht mit Wohnmöglichkeiten versehen waren/sind. In Wikipedia ist zu lesen, dass es in Deutschland heute mehr als eine Million Kleingärten gibt, das entspricht einer Fläche von 46.000 Hektar. Vermutlich sind es in Österreich im Verhältnis weniger.

Später gegründete Siedlervereine, wie der Schrebergartenverein Unterwaltersdorf aus dem Jahr 1928, hatten mit der ursprünglichen Idee Schrebers nur noch wenig zu tun, und es ging auch nicht um Kleingartenanlagen. (Es war übrigens auch eher unüblich, für derartige Siedlervereine Schrebers Namen zu bemühen.) Nach dem Ersten Weltkrieg, da das Land ausgeblutet und durch den Zerfall der Monarchie die wirtschaftliche Infrastruktur zerschlagen war und Armut und Arbeitslosigkeit allgegenwärtig waren, wurde die Idee der Selbstversorgung wieder aufgegriffen. Gleichzeitig sollte auf den hierfür vorgesehenen Gartenflächen Wohnraum geschaffen werden, indem man kleine einfache Häuser errichtete – mit viel Eigenleistung und gegenseitiger Hilfe.

Im Zuge der „Grundzusammenlegung“ der Jahre 1925 bis 1929 kam die Gemeinde Unterwaltersdorf in den Besitz eines Großteiles der sog „Scheiben – Äcker“, dort wo sich bereits seit 1825 der Friedhof befand und heute noch befindet. Auf diesen Flächen, die bis zu diesem Zeitpunkt im Besitz des Grafen Cavriani waren, wurden rund 100 Parzellen zu je etwa 1100 Quadratmeter ausgemessen. Die Grenzen der neuen Siedlung waren und sind: Feuerbach (Fischagasse), Wiener Straße, Ebreichsdorfer Straße, Hottergrenze zu Ebreichsdorf, Grenze zum „Wörth“. Diese Parzellen wurden zu sehr günstigen Preisen (eine Parzelle mit 1140 m² kostete zum Beispiel 285 Schilling) an Familien abgegeben, die dort Gemüse bauen, Kleintiere züchten und ein Häuschen errichten konnten. Letzteres musste innerhalb von drei Jahren geschehen, andernfalls würde das Grundstück an die Gemeinde zurückfallen. Aber nicht auf allen Parzellen bestand Bauzwang. Wovon das abhing, konnte nicht erhoben werden. Manche Parzellen dürften zunächst auch nur verpachtet gewesen sein, bevor sie als Bauparzelle verkauft wurden.

Auch wenn „der Schreber“, wie die ganze Siedlung im Volksmund heißt, nur noch fern mit Dr. Schrebers Idee zu tun hat, trägt eine Straße seinen Namen. Und dort wo sich Fischagasse und Dr. Schreber-Gasse treffen, finden wir ein kleines Denkmal, das an ihn und an die Gründung des Schrebergartenvereines erinnert.

Ca. 1934 errichtet Karl Hietz, Obmann des Schrebergartenvereines und Bürgermeister von 1959 bis 1960 eines der ersten Häuser im Schreber für sich und seine Familie. (Bienengasse Nr. 9) Da damals noch nicht alle Grundstücke an den Mann / die Frau gebracht werden konnten, fand hier der Fußballplatz des ASV Unterrwaltersdorf vorübergehend Quartier, und zwar in dem Bereich, in dem Bienengasse und Mathäus-Mayer-Gasse auf die Ebreichsdorfer Straße treffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die restlichen Parzellen besiedelt und der Fußballplatz dorthin verlegt, wo er sich noch heute befindet.

Interessant wäre die Beantwortung der Frage, welchen Nutzen die Mitglieder des Schrebergartenvereines hatten, ob sich Vorteile beim Erwerb des Baugrundes und/oder bei der Beschaffung von Baumaterial etc. ergaben. Diese Frage konnte bis jetzt niemand beantworten [2], auch kein Lexikon, kein Internet, kein Buch. Sollten Sie es wissen, bitte melden!

Anmerkungen:

  • [1] Rudi Palla: Die Kunst Kinder zu kneten. Ein Rezeptbuch der Pädagogik. Eichborn, Frankfurt a.M. 1997
  • [2] Bis auf eine Ausnahme: Frau Schanzl, Tochter von Obmann Karl Hietz, erinnert sich an den Ankauf von Futtermittel durch den Verein für Ziegen, Hauskaninchen, Hühner. Sie war als Jugendliche auf Wunsch ihres Papas hin und wieder mit dem Auswägen und Verteilen des Futters auf die Siedler beschäftigt.
  • Dank für das Kramen in Erinnerungen, Kaufverträgen, Plänen etc. an Frau Schanzl Gertrud, Frau Zawadil Gerda, Herrn Jursitzky Rudolf sen., Herrn Dillinger Erich jun., Herrn Krizsanits Arnold (Mitterndorf) und Herrn Bartmann Wolfgang (Vermessungsamt)

Dr. Ernst Mayer ©