Kaufhaus Spiegel

Kaufhaus Kiener-Spiegel

Vor 1865 Ignaz Kiener, bis 1899 Sohn Franz und Maria Kiener.
Franz Kiener: Gründer der Feuerwehr Weigelsdorf, 40 Jahre Bürgermeister von 1876 – 1917, Volksschulbau 1878.
Tochter Maria heiratete ihren Gesellen Julius Spiegel 1897. Sie starb 1922, es folgte Rosalia, geb. 1897. Julius Spiegel starb 1938 an Schlaganfall in Folge eines Tristenbrandes, große Aufregung war die Ursache. Sohn Franz aus erster Ehe und seine Frau Anna übernahmen.
Teilung des Geschäftes und der Liegenschaft. Rosalia Spiegel, die Wittfrau, bekam die Trafik zugesprochen, die sie bis 1978 führte.
Franz und Anna hatten keine Kinder, Verpachtung an Herrn Christian Tseik 1972, Kauf 1988.

Standort:

Weigelsdorf

Weigelsdorf braucht Waren aller Art

Ururenkel Josef Bartmann sen. erzählt im November 2017:

Franz und Maria Kiener haben den Kaufmannsladen im Jahre 1865 als junges Ehepaar von Vater Ignaz Kiener übernommen. Franz Kiener hatte den kaufmännischen Gesellenbrief und führte den Kaufmannsladen erfolgreich bis 1899. Kiener war auch Bürgermeister und Gründer der FF Weigelsdorf.

Familie Kiener hatte 2 Söhne, beide wurden Lehrer. Tochter Maria war die Auserwählte für das Geschäft.

Julius Spiegel war Sohn des Schlossgärtners von Gloggnitz und ausgebildeter Kaufmannsgeselle, der sich auf Wanderschaft begab. In Weigelsdorf war er bei Kiener als Geselle tätig. Heirat mit Maria 1897. Sie führten den Gemischtwarenladen mit Erfolg. Es gab alles, was man für den Haushalt brauchte. Sie gründeten eine Familie, Sohn Franz und Tochter Maria. Frau Spiegel Maria wurde schwer krank und starb 1922. Bald heiratete Julius Spiegel seine zweite Frau Rosalia, geb. Glock. Aus dieser Ehe entstammte Sohn Julius 1924. Er fiel im März 1945 bei Großgau (Grotgau ?) in Schlesien.

Julius und Rosalia führten das Geschäft erfolgreich weiter. 1938 starb Julius Spiegel an einem Schlaganfall. Sohn Franz und seine Frau Anna, die beide als Beamte tätig waren, übernahmen. Es erfolgte eine Teilung des Geschäftes und der Liegenschaft. Rosalia Spiegel, die Wittfrau, richtete sich gleich um die Ecke eine kleine Trafik sehr gemütlich und bequem ein. Beim Fenster stand der Schreibtisch, rechts davon die Budel mit Kassa, links eine Stellage mit Ware und hinten Regale für Zigaretten. Sie brauchte sich nur im Sessel drehen und hatte alles im Griff. Sie war eine starke Frau, eine vorzügliche Kopfrechnerin und führte bis zu ihrem 89. Lebensjahr das Geschäft! Sie verstarb im 93. Lebensjahr 1982. Diese Tabak Trafik war immer ein besonderer Treffpunkt.

Franz und Anna Spiegel führten den Kaufmannsladen gut, das Geschäft wurde etwas hergerichtet. Er war einige Zeit Bürgermeister, musste dann einrücken. Frau Spiegel führte das Geschäft mit Lehrling und gefangenen Griechen weiter. Die Ostfront rückte immer näher, man dachte an ein Weggehen von daheim in Richtung Westen, Tirol. Am 31. März verließen sie Hab und Gut. Das Geschäft wurde am Sonntag, 1. April 1945 geplündert aus Angst der Menschen, verhungern zu müssen oder „das holen sich sowieso die Russen“. Am Ostermontag, 2.04.1945 um 10:00 Uhr stand der Russe in Weigelsdorf! Das Ausräumen des Geschäftes (Plünderung) war ohne Respekt und Würde geschehen, man war einfach auf Lebensmitteln herumgetreten!!

Herr und Frau Spiegel kamen nach Kriegsende wieder heim. Jetzt war Aufräumen angesagt! Auch Möbel waren stark beschädigt worden. Laut Gesetz durften sie 2 Jahre lang das Geschäft nicht führen (Entnazifizierung). Es wurde an den Konsum verpachtet. Dann Einzug in das Geschäft, Renovierung, es ging wieder aufwärts! Franz und Anna hatten keine Kinder, es erfolgte die Verpachtung an Herrn Christian Tseik 1972. Franz Spiegel starb plötzlich 1975 an einem Herzinfarkt. Frau Spiegel verkaufte 1988 auf Grund eines Vorkaufrechtes den Geschäftsteil der Liegenschaft an Herrn Tseik. Wohnhaus und Garten blieben ihr Eigentum. 1991 verstarb Frau Anna Spiegel im 86. Lebensjahr. Nach ihrem Ableben wurde die Verlassenschaft an ihre 3 Nichten und Neffen vererbt.

Nun, wie sah eigentlich damals so ein Laden aus?

Ein Kaufmannsladen sagt ja schon viel. Es gab viele beschriftete Laden im geraden Blick an der Wand, unten große für Mehl, Hülsenfrüchte, Reis, Zucker, nach oben wurden sie immer kleiner für viele andere Verkaufsprodukte.

Der Ladentisch selbst war in U – Form aus Holz gezimmert. Die Vorderfront war für Bedienung und Waren vorgesehen. Die sogenannte Budel war auf der Hinterseite gefächert, wo sich Sackerl und Papier befanden. Alles wurde offen angeboten, gewogen und in Papiersackerl gefüllt. Die Seitenteile der Budel bestanden aus Laden mit Glasfenstern, da gab es meist besondere Sachen zu sehen: Feuerzeuge, Taschenmesser, Rasierer, Hosenträger, Sockenhalter, Bürsten, Kämme, Haarspangen, Toiletteartikel, Füllfedern und noch so manche Besonderheiten. An den Seitenwänden gab es Stellagen für Geschirr, Flaschen, Reinigungsmittel u.v.m.

Für die „Lausbuben“ gab es Kugeln aus Ton und wunderschöne Glaskugeln zum Kugelscheiben, was damals selbstverständlich war, Kapseln für den Kapselrevolver. Den „Zschigartsch“ gab es auch, das war ein Kreisel, den man mit der Peitsche trieb. Begehrt waren die „Zuckerlgläser“, Zuckerl wurden gewogen und in sogenannte Stanitzl gefüllt.

Im „Magazin“ standen Kisten mit Klappdeckeln für Vorrat an Mehl, Hülsenfrüchten und Reis. Auf Stellagen wurden Nägel, Schrauben, Werkzeug, Sicheln, Sensen, Ofenrohre usw. angeboten. Wichtig waren das Petroleumfass mit Pumpe und Glasmessbehälter und das Essig- u. Ölfass.

In einer Ecke der Budel stand die Waage, das Wurstbrett mit Messer, vielleicht gab es auch schon eine Maschine? In der anderen Ecke der Budel befand sich die wichtige Kassa. Aber es gab viele Kunden, die „Anschreiben“ ließen, die wurden in einem eigenen Bücherl vermerkt.