Wehrkirchhof

Wehrkirchhof

Wehranlage vermutlich aus dem späten 13. bis frühen 14. Jahrhundert. Die umschlossene Kirche ist wesentlich älter (11. Jh. mit Karolingischen Fundamentresten).
Der Wehrgraben ist bis heute teilweise wasserführend..

Standort:

Unterwaltersdorf, Kirchengasse 4

Rekonstruktionsversuch des romanischen Wehrkirchhofes von Unterwaltersdorf

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1) Kirche
– 11. Jh. Darunter Reste einer Karolingischen
– 9. Jh. Der romanische Kernbau ist bis heute erhalten – erweitert um Turm, Altarraum, Ölbergkapelle, Beichtkapelle und Sakristei.

2) spätes 13. Jahrhundert
Barbarakapelle – zweigeschoßiger, frühgotischer Karner

3) Wach- und Glockenturm

4) Kirchhofgaden
fortlaufend sich hinziehende Reihe von kleinen Häuschen an der Innenseite der Wehrmauer. Sie waren unterkellert und nahmen in Friedens- und in Kriegszeiten die Vorräte (insbes. die Feldfrüchte) der Dorfbewohner auf.

5) Alte Wohnungen
(leerstehend), Pfarrheim und Pfarrkanzlei. Zum Teil noch auf alten Vorratskellern stehend.

6) Viehhof – Hier wurde das Vieh im Falle eines kriegerischen oder räuberischen Angriffes in Sicherheit gebracht. Heute steht dort der Kindergarten. Ein dazugehörender Spielplatz und der Zubau aus dem Jahr 1992 liegen im ehemaligen Wassergraben und somit um einiges tiefer als das übrige Gelände.

7) Zugbrücke

8) Wassergraben – bis heute zu nahezu der Hälfte wasserführend.

9) Pfarrheim auf einer Aufschüttung im ehemaligen Wassergraben

10) Schule – Über dem 13 Meter langen und 8 Meter breiten Torhaus von 1823 bis 1874.

11) Vermutlich das erste Schulgebäude von Unterwaltersdorf (1469 erste Nennung eines Schulmeisters). Nach 1823 Armenhaus.

Skizze: Karl Kafka, Wehrkirchen Niederösterreichs; Legende: Dr. Ernst Mayer ©

Geschichte

Der älteste Bau im Kirchhof, abgesehen von Kirche und Barbarakapelle, ist höchstwahrscheinlich das Torhaus.

Es ist zu vermuten, dass es gemeinsam mit der Wehrmauer entstanden ist, die zwischen 1300 und 1400 errichtet worden sein dürfte. In Verbindung mit dem Torhaus stand der damalige Wach- und Glockenturm, der abseits der Kirche in die Wehrmauer integriert war und dessen Stumpf heute noch im Torhaus steckt. Die schönen Quadersteine des bis auf Haushöhe abgebrochenen Turmes kann man gleich neben dem Eingang ins Kindergartenareal sehen, also rechts neben der Einfahrt in den Kirchhof.

Steht man im Kirchhof vor der Einfahrt – nun eigentlich Ausfahrt – so haben sie links neben dem Turmrest, der hier wegen des Verputzes nicht als solcher erkennbar ist, die Pfarrkanzlei, danach das sog. „Alte Pfarrheim“ und daran anschließend eine leerstehende Wohnung, die die Unterwaltersdorfer „Pokornywohnung“ nennen (benannt nach der langjährigen Bewohnerin). Über diesen drei Gebäuden befindet sich seit 1952 ein Stockwerk mit Räumlichkeiten, die bis vor wenigen Jahren noch als Wohnungen genutzt wurden. Ursprünglich dürften diese Gebäude Kirchhofgaden gewesen sein. Das sind Fruchtkammern, meist über einem Kellergewölbe errichtet. (Zwei Keller sind noch erhalten.) Ihr Alter ist schwer zu schätzen. Es kann aber angenommen werden, dass sie gemeinsam mit der Wehrmauer entstanden, weil die Mauer für diese zurückspringt. Ihr heutiges Aussehen erhielten diese drei Gebäude unter Pfarrer Dr. Kirchberger, zwischen 1937 und 1952.

Stellen wir uns wieder im Kirchhof vor die Ausfahrt, so haben wir rechts – ans Torhaus angebaut – das wahrscheinlich erste Schulhaus von Unterwaltersdorf. Also Schulhaus war es sicher, nur weiß man nicht mit Bestimmtheit, ob es das erste war. Ein Schulmeister wird 1469 erstmals erwähnt und 1499 ein Schulzimmer. Später wurde dieses Gebäude zum Armenhaus. Dort verbrachten unversorgte Dorfbewohner ihren Lebensabend. Das Schulzimmer übersiedelte ins Obergeschoß des Torhauses, wo es sich bis zur Errichtung einer neuen Volksschule am Hauptplatz (heute Musikschule) im Jahre 1874 befand.

Die beschriebenen Gebäude dürften Vorgängerbauten gehabt haben, deren Wurzeln möglicherweise bis ins 1. Jahrtausend zurückreichen.

Zusätzlich befanden sich neun neuere Kirchhofgaden, also Fruchtkammern auf darunterliegenden Kellern, im Kirchhof. Sie sollen laut Überlieferung während der Ungarnkriege im 15. Jh. entstanden sein. Sie lehnten sich im Anschluss an das Armenhaus und zwischen „Pokornywohnung“ und Barbarakapelle an die alte Mauer. Sie wurden 1897/1898 abgebrochen. Die Keller wurden eingeebnet, wodurch das zu hohe Niveau um bis zu drei Schuh (rund 90 Zentimeter) abgesenkt werden konnte. Irgendwann fand sogar ein gemeinschaftliches Presshaus Platz im Kirchhof. Erwähnt wird es 1649. Bis 1825 befand sich hier auch der Friedhof.

Wegen fehlender Aufzeichnungen waren die Besitzverhältnisse nicht klar. So mussten die neun Kirchhofgaden vor dem Abriss den vermeintlichen Besitzern um insgesamt rund 9.000 Gulden abgekauft werden, obwohl möglicherweise die Pfarre ohnedies Besitzer war.

Ähnlich verhielt es sich mit Torhaus und Armenhaus. Im Empfinden der Menschen galt jedenfalls schon seit längerer Zeit die Gemeinde als Besitzer dieser Gebäude. 1938 kaufte die Pfarre diese zwei Häuser und Pfarrer Kirchberger schuf auch hier mehrere Wohnungen. So sehr diese und die in den oben beschriebenen Gebäuden befindlichen Wohnungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit gebraucht wurden, so schnell wurden sie in der Zeit des „Wirtschaftswunders“ zu Substandard, und nach und nach starben die Mieter weg oder zogen als „Häuslbauer“ aus.

1993 wurden Torhaus und ehemaliges Armenhaus saniert und adaptiert. Es entstanden Jugendräume und Räume für andere Aktivitäten, wie Chorgesang, Seniorentreffen u.a.m. Auch neue WC-Anlagen und zwei kleine Küchen wurden eingebaut.

Näheres zu Kirche und Barbarakapelle finden Sie auf weiteren Tafeln im Kirchhof.

Dr. Ernst Mayer