Hutfabrik

Hutfabrik

Ursprüngliche Fabriksanlage 1802 als „Maschinspinnerei englischer Art“ von Franz Xaver Lang errichtet. 1809 auch Walzendruckerei eingerichtet.

1832 geschlossen. Arbeitslosigkeit!

1837 – 1872 vom Schweizer Jules (Julius) Montandon als Baumwollspinnerei weitergeführt.

1874 Sigmund Fraenkel Umbau zu einer Stumpen- und Hutfabrik. In den Produktionshallen war es sehr heiß, denn: „Nass und heiß ist des Hutes Speis.“

Mit der Schließung der Hutfabrik 1971 verbinden noch heute viele Ortsbewohner das Ende des alten Ebreichsdorf. Die „Huaterer“ sahen sich als Edel- Ebreichsdorfer.

Standort:

Ebreichsdorf

Geschichtliches

1802 nach dem Vorbild der Pottendorfer Spinnerei erbaut. Der englische Mechaniker John Michals richtete sie ein und betreute die 44 Feinspinnmaschinen. Jede hatte 180 Spindeln, also insgesamt 7920 Spindeln. 1809 ist auch von einigen Water Twist Maschinen die Rede, die zu diesem Zeitpunkt im Kaiserstaat noch selten anzutreffen waren.

Hier wurde nun auch „Englischblau“ gefärbt, 4 Judig=Küppen werden erwähnt. Auch über die Einsparung von Holz macht man sich Gedanken, „so sind z.B. die aus den Färbekesseln aufsteigenden Dämpfe benutzt, um durch cirkulierende Röhren die Zimmer zu heitzen, in welchen die Zeuge geröscht werden“.

Aus den Vaterländischen Blätter von 1809:
„Spinner und Weber erhalten ihre Bezahlung nach Menge ihrer Arbeit, aber nebstdem – was zu der eigenen Einrichtung dieser Fabrik gehört, Belohnung oder Strafe nach Maß der Güte ihrer Arbeit. Für jeden Fehler wird nach einer durch die Fabriksgesetze bestimmten Taxe ein Abzug an der Bezahlung gemacht. Die Belohnungen sind der Großmuth des Fabrikseigenthümers überlassen, dem sein Aufwand hierbey reiche Zinsen trägt.“

Kinderarbeit ab 6 Jahren in der Spinnerei war die Regel:
Die zu verarbeitende Rohbaumwolle enthielt Schalenreste der Baumwollkapseln. Die damaligen Maschinen waren nicht in der Lage, diese den Spinnprozess behindernden Verunreinigungen zu entfernen. Für die zarten Hände von Kindern war dies kein Problem.

Aus der Fabriksordnung der früheren Spinnfabrik:
§ 15: … Müßiges Zusammenstehen während der Arbeitszeit und überlaute Unterhaltungen, sowie Pfeifen und Singen etc., welche nur die Arbeit stören, können nicht geduldet werden.
§ 16: … Das willkürliche und überflüssige Abreißen von Garnen, sowie überhaupt das Verderben von Material ist bei Strafe nebst Ersatz des Schadens untersagt. Wenn der Täter nicht ermittelt werden kann, so sind sämtliche betreffende Arbeiter in demselben Arbeitssaale dafür verantwortlich und haben den
Ersatz in Gemeinschaft zu ersetzen.
§ 17: Der beim Antritt vereinbarte Lohn wird alle acht Tage nach Abzug des Krankengeldes, der Strafen und der uns zukommenden Beiträge für Wohnungsmiete, Brennmaterial etc. bar ausgezahlt.

1874 kaufte die Anlage Sigmund Fraenkel und baute sie zu einer Stumpen- und Hutfabrik um. Diese bestand als Ebreichsdorfer Filzhutfabrik S. & J. Fraenkel bis 1971. Am Ende des 1. Weltkrieges haben die Fabriken keine Kohlen und müssen zur Holzheizung übergehen. So wird z.B. ein größeres Waldstück, die Rösselau, abgeholzt und in der Filzhutfabrik, um die Fabrikation aufrecht zu erhalten, verheizt.

Die Rösselhofbreite an der Grenze zu Schranawand erinnert uns an dieses Waldstück. Im Industrie-Compass von 1925/26 sind 600 Arbeiter erwähnt, an Erzeugnissen sind aufgeführt: Haarhüte, Velourhüte und Velourstumpen, Etuihüte, Stumpen und steife Hüte. Die Arbeiterbewegung stand in den 1920-50er-Jahren der Kirche sehr ablehnend gegenüber, die Firmenleitung der Hutfabrik sprach die sofortige Kündigung aus, sobald ein Arbeiter beim Eintritt in die Kirche „erwischt“ wurde.

1923 musste Pfarrer Maly eine Anzeige einbringen, da eine Menschenmenge in Ebreichsdorf eine Gruppe von Wallfahrern, aus Loretto kommend, wüst beschimpft, verhöhnt und verlacht hatte. 1924 beschwert sich Karl Kollin schriftlich beim Pfarrer, dass sein konfessionsloses Kind „wiederrechtlich zur Religionsstunde zurückbehalten wird“ und droht, sein Kind gar nicht mehr in die Schule zu schicken, sollte dies noch einmal vorkommen.

In der Pfarrchronik 1948 steht: „Heute haben sich nur zehn Gläubige zur Sonntagsmesse getraut.“ Die Kinder aber wurden in den von Klosterschwestern geführten Kindergarten geschickt, die Mädchen durften mit weißen Kleidern und Kranzerln bei kirchlichen Festen und Prozessionen mitwirken, sehr zur Freude des Pfarrherren und der Gläubigen. Die stolzen Arbeiter der Hutfabrik genossen gegenüber der restlichen Bevölkerung einen Sonderstatus.

Der später berühmte Fotograf Prof. Franz Hubmann war Hutmacher. Er arbeitete dort als Textiltechniker und Modedesigner. Zur Geschichte der Familie Fraenkel:
Um die Mitte des 19. Jh. zogen die Brüder Siegmund und Jakob Fraenkel von München in die Kaiserstadt Wien. Hier beschäftigten sie sich alsbald mit dem
Einkauf und der Verarbeitung von Hasenbälgen.

1862 erwarb Siegmund Fraenkel schon als „landesbefugter Hutstoff-Fabrikant“ das Haus Oberdöbling Nr. 95 (heute Döblinger Hauptstr. 53), in dessen Hinterhof bereits eine Haarschneiderei für Hasenfelle bestand. Bruder Jakob war seit 1857 schon Gesellschafter, daher die Firmenbezeichnung „S. & J. Fraenkel“. Fraenkel kauften die Hasenbälge ausschließlich im Inland und erweiterten die Produktpalette von Filzen auf Stumpen und fertige Hüte, also von Halbfabrikaten auf Fertigprodukte.
Sie errichteten Musterlager in zahlreichen Städten und exportierten bis Australien und Indien. 1874 kauften sie die verwaisten Gebäude der bis 1872 betriebenen Baumwollspinnerei von Montandon am Kalten Gang und begannen, eine Hutfabrik einzurichten. 1878 verlegten sie die gesamte Produktion nach Ebreichsdorf und ließen den Döblinger Standort auf.

Um 1900 beschäftigten sie bereits 300 Arbeiter, nach dem 1. Weltkrieg expandierten sie weiter und erlangten durch die ausgezeichnete Qualität bald Weltgeltung. Siegmunds Söhne Max und Ludwig verkauften an die CA, waren aber weiterhin als Präsidenten der AG in der Geschäftsleitung tätig. Max wurde
1925 zum Ehrenbürger von Ebreichsdorf ernannt, er starb am 3. Februar 1926. In der Pfarrchronik vermerkte Pfarrer Rudolf Maly: „Der hochverdiente Fabrikant Kommerzialrat Max Fraenkel, die Seele der Firma, war ein Israelit, aber ein Mann mit einem Herzen für die Arbeiter.“

1971, also nach 97 Jahren, kam das Aus für die Hutfabrik – die Zeit des Huttragens ging zu Ende, der Absatz war zu stark zurückgegangen. 10 Jahre als „Valmeline“ – Bekleidungsindustrie weitergeführt, Zuschnitt und Näherei diverser Bekleidungsstücke wurden hier ausgeführt. Auch eine Textilveredelungsgesellschaft
(Kunstleder) entsteht unter dem Namen Viennaline. Ab 1980 stellt die deutsche Fa. Küster Seilzüge und Federn für Automobile her, dann Fa. Benesch (technische
Federn). 1997 verlegt die Firma Riha die Produktion von Kunststofffenstern und Sicherheitstüren auf das Areal der ehemaligen Hutfabrik. Heute begehrter Gewerbepark.